Ein Tag in Ephesus
„Nein Titus“ gibt der Vater zur Antwort, erst in zwei Jahren
darfst du mich begleiten und verlässt die Wohnung. Schmollend verzieht sich
Titus in sein Zimmer. In Gedanken sieht er seinen Favoriten kämpfen – und
natürlich siegen! Mit einem eisernen Draht verewigt er seinen Helden an der
Wand und wünschte, zwei Jahre älter zu sein...
Ob sich dies so zugetragen hat, wissen wir nicht! Aber nun, rund
2000 Jahre später ist das Graffiti an der Zimmerwand noch immer deutlich zu
sehen!
Wir stehen im sogenannten Hanghaus im antiken Ephesus. Das
Hanghaus entspricht einer modernen Terrassensiedlung in verdichteter Bauweise.
Auf drei Ebenen sind verschiedene Wohneinheiten angelegt, jede mit separatem
Zugang.
Die Wohnungen wiederum gliedern sich um einen offenen Innenhof.
Die Baustrukturen sind bemerkenswert gut erhalten. Der Grund ist
ein Erdbeben im 3Jh n.Ch., bei welchem die Hanghäuser vollständig verschüttet
wurden. Erst im Jahre 1960 bis 1985 wurden die Häuser wieder ausgegraben und
restauriert.
Sehr gut sind die doppelten Mauerwerke mit den Belüftungskanälen
zu sehen. Auch das Röhrensystem für Wasser und Abwasser ist sichtbar und zeugt
vom hohen Standard der Bauten. Die Wohnungen, mitten in der Stadt an der
„Kuretenstrasse“, einer Hauptverbindung gelegen, waren für die vermögende
Oberschicht gebaut.
Die Böden sind mit kunstvollen Mosaikbildern belegt worden. Die
Wände mit Malereien verziert, die auf den gesellschaftlichen Status der
Bewohner hinweisen.
Ein reich ausgestattetes Bad deutet auch auf die hoch
entwickelte Badekultur der Römer hin. Die Räume konnten beheizt werden,
Heisswasserbecken, Kaltwasserbecken, ein Schwitzraum und ein Umkleideraum waren
darin integriert. Die Latrine weist auf drei Seiten Sitzbänke auf, die Fäkalien
werden durch einen Kanal abgeleitet.
Die grosse Küche ist mit einem Ofen ausgestattet, das
Wassersystem wird auch hier durchgeleitet.
Einmal mehr sind wir tief beeindruckt von der damaligen Baukunst.
Diese privaten Wohnungen liegen an der Hauptstrasse von Ephesus, einer der
bedeutendsten und
mit vielleicht über 200.000 Einwohnern auch eine der größten Städte des
Römischen Reiches. Damals lag Ephesus direkt am Meer, heute endet die Hafenstrasse
mit Säulen geschmückt in der Wiese. Verlandung, klimatische und seismische
Veränderungen führten dazu, dass sich die antike Stätte nun rund 7 Kilometer
vom Meer entfernt befindet.
Ein
weiteres Zeugnis der weitsichtigen Denkweise der damaligen gebildeten
Oberschicht ist die Celsius Bibliothek.
Sie
wurde zu Ehren von Senator Tiberius Iulius Celsus Polemaneaus von seinem Sohn
errichtet. Die Bibliothek wurde in eine schmale Baulücke gebaut. Um die Fassade
grösser erscheinen zu lassen, haben die Erbauer die äusseren Säulen, Kapitelle
und Gebälk kleiner dimensioniert wie in der Mitte. Durch diese
Scheinperspektive wirken die Seiten weiter entfernt und das Gebäude dadurch
grösser.
Das
Kerngebäude wurde, um die Bücher vor der Nässe zu schützen, mit einem
Doppelmauerwerk mit einem Zwischenraum von 80cm erstellt.
Aber
nicht genug, um den Erhalt der Bibliothek, die eine der grössten in der Antike
war, zu gewährleisten, hinterlegte Gaius Iulius Aquila eine beträchtliche Summe
und ein Testament dazu, das genau beschrieb, wie die Summe verwendet werden
soll. Mit dem Geld wurden Angestellte bezahlt, die für den Unterhalt und Betrieb
der Bibliothek verantwortlich waren. Zudem war eine bestimmte Summe für den
jährlichen Ankauf von Büchern bestimmt, um die Sammlung laufend zu erweitern.
Einmal jährlich, am Geburtstag von Celsius sollen die Eingangsstatuen mit
Blumen geschmückt und zu Ehren von Celsius ein Fest veranstaltet werden.
Dies
garantierte den Fortbestand der Bibliothek bis zum grossen Erdbeben, welches
die Bibliothek stark beschädigte. In der Spätantike wurde die eindrucksvolle Fassade
als Hintergrund für einen Strassenbrunnen verwendet.
So spazieren wir über die alten Steinplatten durch die Stadt, am
Odeon, das als Theater und Senatshaus diente, an der riesigen Agora, dem
Treffpunkt der Stadtbevölkerung, dem Hadrianstempel, dem grossen Marktplatz, an
den öffentlichen Bädern, Brunnen vorbei, schreiten durch Torbögen zum
Amphitheater und lassen unsere Gedanken schweifen wie es wohl war, hier zu
leben.
Die Wirklichkeit holt uns rasch ein. Im Dorf kommen wir an einem
bescheidenen Lehmhaus vorbei. Eine ältere Frau kommt auf uns zu und lädt uns
zum Tee ein. Dabei erzählt sie uns ihre Lebensgeschichte. Sie ist Witwe, ihr
Mann bei den Ausgrabungen in Ephesus ums Leben gekommen.
Ihr Haus, bestehend aus einem Raum von rund 12m2 ist ohne
Wandverzierung, die Latrine eine Grube im Hof; heutiger türkischer Standard für
noch viel zu viele Bewohner!
Blick auf das Amphitheater welches 25'000 Zuschauer Platz bot |
links im Bild die zuerst ausgegrabene Terrassensiedlung. Rechts davon wurde das bestens erhaltene Hanghaus gefunden und ausgegraben |
Ansicht linke Hanghäuser |
Plan des rechten Hanghauses |
Sicht auf einen der Innenhöfe |
Die Lüftungskanäle sind gut sichtbar |
Bodenmosaik mit Löwenmotiv |
verführerisch...... |
Wandmalereien |
privates Bad |
Eingang zur Latrine |
Installations- Details mit Wasserrohren und Abwasserkanal |
Rohrsystem der Antike |
Die Hafenstrasse führt in die Wiese |
eines der Stadttore |
führt zur Celsius Bibliothek |
Kuppeldetail |
eine der Statuen |
Gebäude Untersicht |
Ausgestellt am Wegrand |
Blick ins Weite über das Bibliotheksgebäude |
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