Humberstone, eine Geisterstadt erzählt vom einstigen Glanz
1872 gründete James Thomas Humberstone, ein junger britischer Chemiker, die Nitratgesellschaft Peru und hat ab 1883 im heutigen Chile in der Wüste Atacama die grösste Siedlung für den Abbau von Salpeter bauen lassen.
Um einen grossen Platz mit dem Verwaltungsgebäude, dem grosszügigen Haus des Besitzers, des Buchhalters, Arztes und der Lehrer schliessen sich mehrere Strassenzüge mit Arbeiter Häusern an. Funktionell, bescheiden und ineinander verschachtelt stehen sie in der Wüstensonne. Eine luftige Schule, ein Theater, ein Schwimmbad, ein Hospital und ein Markt stehen ebenso verlassen in der Wüste.
Daneben liegen die grossen Werkhallen für die Reparaturen der grossen Abbaumaschinen, die aus Grossbritannien und auch der Schweiz kamen.
Den Lärm, den Staub und die Gefahren der Arbeit können wir uns in der heutigen Stille kaum vorstellen!
Herr Humberstone hat an vieles gedacht, seinen Arbeitern eine Lebensgrundlage gegeben. Aber nun kommt das grosse ABER! Er hat seinen Arbeitern einen Hungerlohn gezahlt. Er lässt den grössten Teil des Lohnes mit Token auszahlen. Eine Währung, die nur im eigenen Bergbaulager im internen Laden für überteuerte Lebensmittel und Gebrauchsartikel ausgegeben werden kann.
Ein Zustand, der die Minenarbeiter wie Sklaven in eine Abhängigkeit der Arbeitgeber bringt. Unterstützt wird die Kontrolle von der betriebseigenen Polizei, die die Arbeiter dauernd überwacht.
Chancenlos, aus dieser Abhängigkeit zu entfliehen!
Dank geschickter Werbung wird der chilenische Salpeter zu einem Exportschlager.
Während Jahren ist der Salpeterhandel die Haupteinnahmequelle von Chile.
Die Elite der Minenbesitzer profitieren in diesen Jahren vom Reichtum. Herr Humberstone und seine Familie residieren im grosszügigen Haus, geben Empfänge und das nächtliche Tennisspiel auf dem beleuchteten Platz gehört zum guten Ton.
Im Dezember 1907 treffen aus dem Norden von ganz Chile Abordnungen von Minenarbeitern in Iquique ein. Sie möchten mit den englischen Minenbesitzern verhandeln. Ihr Anliegen ist ein Mindestlohn von 18 Pences und die Abschaffung der Token, der geschlossenen Währung.
Zu Tausenden kamen die Streikwilligen nach Iquique, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.
Der chilenische Staat gibt der Armee den Auftrag, die Streikenden zu stoppen.
Auf die Männer, Frauen und Kinder wird in der Schule von Santa Maria geschossen. An diesem Tag sterben mehrere Tausend Menschen. Es werden keine Sterbeurkunden ausgestellt, es wird ein Massengrab ausgehoben. Das Massaker wird Jahrzehnte vertuscht!
Und durch diese grausame Massnahme ist den Minenarbeitern die Chance genommen, ihre Lebenssituation zu verbessern.
Es dauert nochmals ein Jahrzehnt, bis sich die Rechte der Minenarbeiter wesentlich verbessern.
Durch den ersten Weltkrieg und durch die Erfindung der Ammoniak- Synthese bricht der Salpeterhandel ab 1920 massiv ein. Massenweise werden Arbeiter entlassen, viele Minen schliessen, die Mine Humberstone fördert noch bis 1961 in kleinerem Umfang Salpeter, danach wird die grösste Mine in der Region, in welcher in ihren Glanzzeiten bis zu 3500 Leuten gewohnt haben, geschlossen.
Heute fegt der trockene Wüstenwind durch die verlassenen Strassen, lässt die Lampen des Tennisplatzes im Wind schaukeln und flüstert uns diese längst vergangene Geschichte zu.
der Eingang zum einstigen Minendorf, heute ein Museum |
kurze Zusammenfassung der Geschichte von Humberstone |
der Weg der Salpetergewinnung vom Stein bis zum Salpeter auf dem Weg zum Hafen von Iquique |
so können wir uns eine damalige Küche vorstellen |
in einem dieser Arbeiterhäusern |
auf der einstigen Hauptstrasse sind diverse alte Geräte ausgestellt |
der Kran beispielsweise kommt ursprünglich aus London |
Blick über die Strasse auf das gegenüberliegende Quartier |
der Zerfall ist überall sichtbar |
im grossen Maschinensaal stehen Motoren von Sulzer, Schweiz |
die Reparaturen wurden vor Ort in den Werkstätten erledigt |
heute zeugen nur noch rostige Überbleibsel von den Glanzzeiten |
ein Gerät aus England, Liverpool |
das grosse Verwaltungsgebäude der Mine Haberstone |
davor steht dieser Wagen mit Pferd |
im Gebäude wird uns die Geschichte des chilenischen Salpeters nahegebracht |
gemäss diesen Plakaten gibt es nichts besseres! |
diese Strassen waren voller Lärm und Leben |
ein Plan des Ortes |
mit der Legende |
Nicht nur der Salpeter wurde mit der Eisenbahn transportiert, auch die Herrschaft reiste mit dem Zug nach Iquique ans Meer |
Erinnerung an das Massaker in der Schule von Santa Maria |
Darstellung, wie das Militär die Abordnungen aus der ganzen Region; Männer, Frauen und Kinder niedergeschossen haben |
es ging um einen Mindestlohn, bessere Arbeitsbedingungen und die Abschaffung der Token, der geschlossenen Lagerwährung |
erst knapp ein Jahrzehnt später verbesserten sich die Bedingungen der Minenarbeiter und ihren Familien |
Wow! Wie eindrücklich! Liebe Heidi, lieber Robi, vielen Dank für das Teilen dieser Geschichte und Bilder!!! Lg, Rebekka
AntwortenLöschenDanke für eure Hintergrundinformationen. Ihr erfährt mehr als "gewöhnliche" Touristen und teilt euer Wissen mit uns.
LöschenBeate und Wolfgang/ Listvianka / Baikalsee