Sointula, ein finnisches Experiment




Eine Gruppe finnischer Mineure wollen dem Elend des Kohleabbaus auf Vancouver Island entfliehen.
So beschliessen sie 1901, eine utopische sozialistische Gesellschaft, Kalevan Kansa, zu gründen. Dem charismatischen Anführer, Matti Kurikka, gelingt es, vom Gouvernement British Columbia, die Bewilligung für diese Lebensform auf der Insel Malcolm zu erlangen.
Daraufhin unternimmt er diverse Fahrten in die verschiedenen finnischen Gemeinschaften in Kanada, um Anhänger für seine Ideen zu gewinnen.
Sie kommen zahlreich auf die damals unbewohnte Insel, ohne jegliche Infrastruktur.
Es gibt keine Hafenmole; das BC Dampfschiff fährt wöchentlich, hupt vor der Insel und die Leute müssen im Wasser ein- und aussteigen, die Tiere an Land schwimmen.

Im ersten Sommer wird ein grosses Sommernachtsfest gefeiert. Begeistert sind die Pioniere, alles gemeinsam zu erarbeiten, die gleichen Rechte für Mann und Frau zu verwirklichen, was zur damaligen Zeit revolutionär war. Den Ort nennen sie Sointula, Ort der Harmonie.
Sie wohnen in Zelten. Das Fällen der mächtigen Bäume im gemässigten Regenwald ist sehr zeitintensiv, erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Einwanderer keine Kenntnisse vom Holzabbau, Hausbau, Strassenbau oder Fischfang haben. Sie sind Grubenarbeiter, Bauern, Aussteiger aus der Stadt.
Auch fehlt eine grundlegende Organisation und Führung. Matti Kurikka ist ein Idealist, der Kauf eines Pianos, um die Zusammenkünfte zu verschönern ist ihm wichtiger, wie der Kauf von Saatgut. Ihm schwebt die Verwirklichung der Gesellschaft mit freier Liebe vor, ohne Tabus.
Die Frauen jedoch insistieren, dass ihre Kinder zuerst ein stabiles Dach über den Kopf brauchen, statt in Zelten zu hausen und die freie Liebe zu proklamieren.
Ein verheerender Brand im Gemeindehaus im Jahr 1903 kostet drei Frauen und acht Kindern das Leben, viele weitere werden verletzt. Ein herber Rückschlag für die Gemeinschaft.

Die Zeit rinnt der Kommune durch die Finger. Die Fehlentscheidungen, die Konzeptlosigkeit und das wirtschaftliche Pech verhindern den Erfolg und vernichten die vorhandenen Geldmittel.

Die Darlehen können nicht zurückbezahlt werden, neue Kredite kommen nicht in Frage, auch schielen die Leute von British Columbia mit Argwohn auf die utopischen Ziele der Kommune. Nur zu schnell erlischt die ideologische Flamme im harten Alltag. Das Projekt scheitert, die Kommune wird aufgelöst.

Dennoch bleiben viele von den Finnen auf der Insel, eine andere Möglichkeit bietet sich nicht. Darunter ist eine junge Familie, Katri und Matti Riksmann mit ihren Kindern. Katri hat sich danach ihr Leben lang für die Gleichberechtigung der Frau engagiert, dies auch in Zeitungsartikeln veröffentlicht – immer in finnischer Sprache, nie hat sie auf englisch geschrieben. Ein Zeitungsartikel im Museum zeugt von dieser starken und mutigen Persönlichkeit.
Wie im übrigen British Columbia, ist die Gesellschaft in Sointula wieder auf der Familienstruktur aufgebaut.
Man hilft sich gegenseitig, jedoch wirtschaftet jede Familie für sich. Sointula wächst und gedeiht allmählich.
In den 70er Jahren erlebt die Insel eine Blütezeit. Der Fischfang und der Holzbau floriert, die Nachkommen der Finnen haben sich mit dem Leben auf der kleinen, rund 24km langen und an der engsten Stelle nur 3km breiten Insel arrangiert und sich die nötigen Kenntnisse angeeignet.

Heute kämpfen die Bewohner erneut mit wirtschaftlichen Problemen.
Der Fischfang ist zum Erliegen gekommen, die Waldwirtschaft rentiert sich nicht mehr, der Tourismus bewegt sich in kleinem Rahmen. Für die nachrückende Generation eine schlechte Zukunftsaussicht.
Deshalb wandern viele junge Leute ab, zurück bleiben auf der Insel die Rentner und die Ferienhausbesitzer. Rund 550 angemeldete Personen leben hier, ein grosser Teil nur während des Sommers.

Dennoch spüren wir in Sointula noch immer den finnischen Pioniergeist von damals.
Als Touristen sind wir willkommen, keine Verbotsschilder machen uns das Leben schwer, wir dürfen sogar frei campieren. Am Hafen gibt es für uns «Weicheier» eine geheizte, warme Dusche (gegen Entgelt) und WC, gleich daneben ist ein Waschsalon installiert. In der über 100 Jahre alten Cooperation werden wir zuvorkommend bedient und der Bäcker in der Insel eigenen Bäckerei gibt uns eine luftige, knusprige Baguette!

An einem windigen, kühlen und von Regen durchtränktem November Samstag halten die Insulaner ihr Winterfest ab. In vier verschiedenen Gebäuden wird das einheimische Kunsthandwerk feilgeboten. Trotz widrigen Wetterbedingungen kommen die Besucher in Scharen.
Bilder, Holzreliefs, Hocker, Gestricktes, Genähtes, Süssigkeiten und vieles mehr ist zum Kauf ausgelegt.
Auch kulinarisch kommen die Besucher auf ihre Kosten.
Langsam lassen wir uns durch die Menge treiben, nehmen die Atmosphäre in uns auf. Wahrlich, Sointula, ein Ort der Harmonie, Freundlichkeit und des positiven Denkens!


links im Bild Matti Kurikka, der Gründer der utopischen sozialistischen Gesellschaft Kalevan Kansa. Nachdem die Gesellschaft aufgelöst wurde, hat er die Insel verlassen. Sein Freund, Austin Makela, den er als Sektretär nach Sointula geholt hat, blieb bis zu seinem Tod in Sointula und hat die Gemeinde mit Rat und Tat unterstützt.

Katri Riksman; Die berührende Geschichte einer ungewöhnlichen Frau

Ihr Ehemann, Matti Riksman bei seiner Arbeit im Sägewerk

die Säge ist heute im örtlichen Museum ausgestellt
So kann man sich das wöchentliche Schiff vorstellen, obwohl natürlich später eine Anlegestelle gebaut wurde

Ein bescheidenes Heim!

ein verheerender Waldbrand wütete im Jahr 1925, der zeitweise auch Sointula bedrohte
eine handkolorierte Foto zwei Jahre nach dem Brand

1930 fünf Jahre nach dem Brand. Ein weiteres, öffentliches Gebäude ist erstellt worden. Neben dem finnischen Gemeindezentrum steht die neue Schule, worin heute das Museum untergebracht ist.

bereit für den Ausgang nach Vancouver!

1940 die Pioniere sind älter und weniger zahlreich geworden. Mit auf dem Bild sind Katri und Matti Riksman


 
Im Museum sind persönliche Besitztümer aus der Pionierzeit ausgestellt

auch Kinderspielsachen finden wir hier

eine klevere Schreibmaschine aus Finnland

ein ganzer Haushalt mit Singer Nähmaschine!

mit vielen Werkzeugen und Arbeitsgeräten

die 1909 gegründete Cooperative für den gemeinsamen Ein- und Verkauf der Waren. Noch heute ist der Coop das Einkaufszentrum auf der Insel


 
Ein Streifzug durch das heutige Sointula

mitten auf der 1th Street ist dieser Oldtimer zu bewundern

Ein Neubau, erstellt mit Sperrholzplatten, dazwischen 6cm Isolation und einer Dampfsperre zwischen der Fassade und Innenraum

ein älteres Haus mit Boot im Garten und Zugangsrampe

das kleine Häuschen am Wasser

alle werden noch mit Holz beheizt


 
den älteren Bruder vom gri-gri würden wir am liebsten mitnehmen!

Haus mit Scheune in sehr bescheidener Ausführung

Die Hirsche kommen zahlreich ins Dorf, um das Gras zwischen den Häusern zu fressen

Oft stehen noch Autowracks in den Gärten

manche wohnen in Wohnwagen, hier hat einer ein Dach darüber gebaut

die Grundstücke sind meist gross


 
ob hier ein Musiker wohnt? Die Schaufel- Deko sieht lustig aus

auf Stelzen gebaut über dem Wasser

am Dorfrand landet ein Adler

das Ufer bei Ebbe

auf der ganzen Insel wird enorm viel Holz angeschwemmt, der ganze Strand ist überhäuft davon

unser wunderschöne Campingplatz am Bere- Point mit Sicht auf das Festland



das Schwemmholz wird für Geländer, Bänke, Trennwände und Verschönerung der Stellplätze verwendet

gleich hinter dem Campingplatz beginnt der Regenwald

Winterbetrieb auf dem Camping. Auf dem Platz B müsste nun Hildebrand stehen... Wir sind ganz alleine hier.

Mitten auf der Insel, umrahmt vom Regenwald liegt der Big Lake, den die Einheimischen im Sommer als Badesee nutzen

Winterfest mit Bazar

mit herausgeputzten Verkäuferinnen, die lächelnd ihre selbstgefertigten Waren anbieten


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